Etikette

 

Rei bedeutet Höflichkeit oder Gruß, Shiki wird mit Formel übersetzt. Reishiki ist die Kenntnis und Beachtung der Regeln der Höflichkeit und Etikette.

wrf_2047509cDas gegenseitige Verbeugen ist etwas, das dem Neuling beim Aikido sofort ins Auge fällt. Dazu kommt, dass wir hierzulande bei einer Verbeugung oft das leicht unangenehme Gefühl der Unterwerfung verspüren. Eines vorweg, das Verbeugen im Aikido ist weit entfernt von Unterwerfung oder gar einer Anbetung von Götzenbildern. Es sei ebenso festgehalten, dass Aikido keine Religion ist und auch keiner Religion als Hilfsmittel bedarf, um ausgeübt werden zu können.

Mit dem Verbeugen bekundet man Respekt gegenüber dem anderen und gleichzeitig gibt man auch die Wertschätzung der eigenen Person klar zu erkennen.

Es ist eine Ausdrucksform japanischer Höflichkeit und Etikette, die in einer japanischen Kampfkunst ihren sinnvollen Platz hat. Die Regeln der Etikette erlauben ein sicheres und geordnetes Zusammensein einer Gruppe von Menschen, deren Ausbildung in früheren Zeiten eine Frage von Leben und Tod war. Damals führte ein Missverständnis schnell zu einer ernsthaften Auseinandersetzung und als Ergebnis war der unnötige Tod eines Menschen manchmal nicht zu vermeiden.

Wie, warum und wann

Man führt eine Verbeugung aus der Hüfte heraus mit geradem Rücken aus. Gegen Ende der Körperbeugung neigt man den Kopf noch ein Stück weiter. Man verweilt einen Moment, hebt den Kopf wieder an und richtet sich mit geradem Rücken wieder auf. Die Bewegung soll rund, elegant und natürlich sein und keinesfalls einen abgehackten, maschinenmäßigen Eindruck vermitteln.

Es gibt Kampfkunstschulen, die empfehlen, sein Gegenüber beim Verbeugen nicht aus den Augen zu lassen, um für einen eventuell erfolgenden Angriff jederzeit bereit zu sein. Es ist eine von Misstrauen gekennzeichnete Art des Verhaltens, die an sich ein nachfolgendes, gemeinsames Trainieren unmöglich macht.

Bei den meisten Techniken gibt ein Partner freiwillig seine Gesundheit und sogar sein Leben in die Hand des anderen, um ein Üben überhaupt erst zu ermöglichen. Wenn von Anfang an kein Vertrauen da ist, dürfte man sich nicht verbeugen und schon gar nicht miteinander üben.

Wir grüßen

  • beim Betreten und Verlassen der Trainingshalle
  • beim Betreten und Verlassen der Matte
  • zu Beginn und bei Beendigung des Unterrichts
  • zu Beginn und bei Beendigung einer Partnerübung

Fallen die ersten beiden Punkte zusammen, weil die Trainingshalle ein mit Matten fest ausgelegter Raum ist und die Matten bis unmittelbar an die Türe heranreichen, erfolgt der Gruß hierbei in sitzender Position (Zarei) in Richtung Kamiza.

Zu Beginn und bei Beendigung des Unterrichtes sitzen Lehrer und Schüler sich in Seiza gegenüber und verbringen einige Momente in Meditation (mokuso, [mo-xo]). Anschließend verneigt man sich gemeinsam in Richtung Kamiza und schließlich verneigen sich Lehrer und Schüler voreinander.

Bei Beginn des Unterrichtes spricht man am Tiefpunkt der Verbeugung die Worte „Onegai itashimas“ [onega-i-ita-schimas]. Dies stellt eine ausgesucht höfliche Bitte um Unterweisung dar. Vom Lehrer gesprochen stehen diese Worte für das höfliche Ersuchen, dass der Unterricht von den Schülern angenommen werden möge. Ebenfalls höflich ist auch die kürzere Form „Onegaeshimasu“ [one-gae-schimas].

Bei Beendigung des Unterrichtes bedankt man sich an derselben Stelle mit den Worten „Domo arrigato gozaimashita“ [domo arrigato gosaimaschta] oder in der Landessprache des Lehrers.

Zu Beginn und bei Beendigung einer Partnerübung verneigt man sich meist im Stehen (Ritsurei), aber auch gelegentlich im Sitzen, wenn es sich um eine Übung von Suwari Waza (Techniken auf den Knien) handelt. Bei der Übung von Hanmi Handachi Waza (ein Partner steht, der andere befindet sich auf den Knien) verbeugt man sich auf gleichem Niveau, d.h. wenn entweder beide sitzen oder beide stehen.

Grundsätzlich hat der Rangniedrigere zuerst mit der Verbeugung zu beginnen, sich tiefer zu verbeugen, länger unten zu verweilen und sich später wieder aufzurichten als der Ranghöhere. Wer nun wirklich ranghöher ist und welches Ausmaß der Verbeugung dem Unterschied zwischen den beiden Grüßenden entspricht, ist das Schwierige daran.

Für gewöhnlich sind Vorgesetzte ranghöher als ihre Untergebenen, ältere Menschen ranghöher als jüngere, Männer ranghöher als Frauen (in der traditionellen japanischen Kultur), Dan-Grade ranghöher als Kyu-Grade usw.

Wesentlich bei der Ausführung jeden Grußes ist aber nicht die rangordnungsgemäße Richtigkeit oder eine formvollendete Ausführung, sondern die persönliche Geisteshaltung.

Es kann gar nicht genug betont und hervorgehoben werden, dass Aufrichtigkeit und Offenheit, Ernsthaftigkeit und Respekt zusammenfließen müssen, damit die Etikette nicht nur eine wertlose Ansammlung leerer Formen und Floskeln ist.

Reishiki ist eine Angelegenheit des Herzens.